Das ästhetische Unbewusste
Wer sich für die Symptome stark macht, gerät – und zwar nicht nur in der Wissenschaft – in der Regel schnell unter Verdacht. Denn schließlich sind Symptome für sich genommen bedeutungslos; bedeutsam werden sie erst in Bezug auf dasjenige, wovon sie Ausdruck sind. Eine Untersuchung, die auf der Ebene der Symptome verharrt, muss unweigerlich oberflächlich bleiben, weil sie das Entscheidende – nämlich die Ursache – verfehlt, ähnlich wie ein Arzt kein guter wäre, wenn seinen Bemühungen nur dem Fiebersenken gälten, nicht aber der eigentlichen Krankheit. Wer nur die Symptome bekämpft, betreibt demnach schlechte Ursachenforschung; die richtige Analyse lässt sich von Symptomen bestenfalls leiten, um dann aber zum Kern des Problems vorzustoßen. Das Projekt rekonstruiert die wissenschaftshistorischen Spuren eines ‚symptomatischen Wissens‘, um es vom ‚Spuren-Paradigma‘ (Ginzburg) abzugrenzen: Symptome sind keine Spuren, die es in Abwesenheit ihres Verursachers zu entziffern gälte; sie treten immer an denjenigen Körpern auf, auf deren Zustand sie Rückschlüsse geben. Ihren Sinn verdanken sie nicht der Entkontextualisierung, sondern einem genuin situativen Erproben. Obwohl sie dem Kriterium der Iterierbarkeit (Popper) nicht genügen, generieren sie dennoch ein Wissen eigener Art, das sich auch als exemplarisches Wissen fassen lässt.