Strukturen der Exemplifikation in Kunsttheorie und Ästhetik
Das Projekt geht von der Form psychoanalytischer Theoriebildung aus, die es in ihrem Kern mit empirisch nicht beobachtbaren Gegenständen zu tun hat, verdrängten Vorstellungen, Träumen, Trieben, kurz, dem sogenannten »Unbewussten«. Um dennoch Aussagen über diese Gegenstände treffen zu können, bedient sich die freudsche Psychoanalyse empirischer Modelle, die sie aus den unterschiedlichsten Lebenswelten heranzieht – den Naturwissenschaften, der Technikgeschichte, der Medizin, aber auch den Künsten –, um gewisse Funktionsweisen und Strukturen des Unbewussten anhand der Funktionsweisen und Strukturen dieser Modelle zu exemplifizieren. Doch nicht nur in der Psychoanalyse, an der Grenze zwischen Geisteswissenschaften und empirischen Wissenschaften spielen kontrollierte Exemplifikationen eine entscheidende Rolle bei der Theoriebildung. Dies gilt auch für die Kunsttheorie und die philosophische Ästhetik. Theoriebildung weist hier einen unhintergehbaren Bezug zur Anschauung und damit zu konkreten Phänomenen auf, die sich nicht deduzieren oder unter allgemeine Definitionen subsumieren lassen, wie etwa Immanuel Kants Analysen des ästhetischen Urteils zeigen. Die für das Ästhetische spezifische Spannung zwischen dem Allgemeinen und dem Besonderen schlägt sich auch, so die Grundannahme des Projekts, in der Argumentationsstruktur kunsttheoretischer und ästhetischer Texte nieder, die in besonderem Maße auf Beispiele verwiesen sind. Ziel des Projekts ist es, die unterschiedlichen Funktionen von Beispielen in solchen Texten zu untersuchen und Vorarbeiten zu einer Theorie ästhetischer Exemplifikation zu leisten.